Barrierefreiheit

Menschen mit Behinderung und Inklusion in österreichischen Massenmedien

Inklusion als tabuisiertes Randthema

In Österreich leben laut Statistik Austria über 18 Prozent der Menschen mit einer sichtbaren oder unsichtbaren Behinderung. Obwohl also fast ein Fünftel der Bevölkerung direkt betroffen ist, bleiben Inklusion und Behinderung im öffentlichen Diskurs noch immer tabuisierte Randthemen. Bereits vor 7 Jahren hat das Medienmarktforschungsinstitut MediaAffairs eine umfassende Studie dazu veröffentlicht. Die aktuelle Studie, welche gemeinsam mit Behindertenanwaltschaft, Energie Steiermark, Sodexo Österreich und den Wiener Stadtwerken umgesetzt werden konnte, zeigt, dass es seither in vielen Medien durchaus positive Entwicklungen, aber auch noch zahlreicheBaustellen gibt. 

Menschen mit Behinderung sind in Medien in etwa gleich wenig sichtbar wie noch vor 7 Jahren. Wenn Medien berichten, dann in der Hälfte der Fälle über nur zwei Themen: Paralympics oder Charity-Events. Vor allem letztere begünstigen klischeehafte Inszenierungen von Menschen mit Behinderung als bemitleidenswerte Opfer oder Bittsteller:innen. Die alltagsnahe Darstellung und Teilhabe „gewöhnlicher“ Menschen mit Behinderung kommt daneben zu kurz. „So entsteht kein Abbild der Realität sondern vielmehr eine verzerrte Konstruktion und Teilwirklichkeit, die Inklusion im Weg stehen kann“, ist Studienautorin Maria Pernegger überzeugt. Auf Social Media zeigt sich, dass sich Menschen mit Behinderung selbst fast nie in der Opferrolle inszenieren und stattdessenselbstbewusst und fordernd auftreten. „Dieser große Unterschied zwischen der medial immer noch teils sehr klischeebehafteten Außensicht auf der einen und der Selbstdarstellung von Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite ist ein klarer Beleg dafür, dass das Bild von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit noch immer verzerrt ist“, merkt die Studienautorin an. Die Studie belegt zudem, dass zentrale Themen wie Inklusion in der Bildung oder ein inklusiver Arbeitsmarkt immer noch Nebenschauplätze sind. Auch weil Inklusion von der Politik oder in der Wirtschaft wenig forciert wird. Wie die Studie feststellt, nahm in Zeiten der Corona-Pandemie und anderer Krisen das Engagement der Politik im Inklusionskontext markant ab. 

Studienautorin Mag.a Maria Pernegger, Geschäftsführerin von MediaAffairs

Mehr Bewusstseinsbildung, stärkeres Engagement der Wirtschaft

Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Zu den größten Aufsteigerthemen im öffentlichen Diskurs gehört die Bewusstseinsbildung. So werden in Tageszeitungen und via Social Media verstärkt Projekte und positive Rolemodels präsentiert, Beispiele wie Inklusion gelingen kann und weshalb diese notwendig ist. Außerdem erhält Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung mehr Raum, dazu gehören beispielsweise Barrierefreiheit oder die persönliche Assistenz. Auch werden mehr Menschen mit Behinderung im Job gezeigt. Dabei zeigt sich vor allem auf Social Media eine spannende Entwicklung: „Während in klassischen Medien Spendenevents immer noch sehr populär und präsent sind, zeigt sich auf Social Media ein Gegentrend“, so Pernegger. Unternehmen, aber auch politische Akteur:innen, würden im Kontext Inklusion wesentlich mehr Zuspruch und Interaktionen seitens der User für konkrete Taten zur Förderung von Inklusion erreichen, anstatt für Charity-Postings. So würden barrierefreie Dienstleistungen, Jobangebote für Menschen mit Behinderungen oder Initiativen zur Bewusstseinsbildung laut Pernegger wesentlich stärker honoriert und so letztlich auch zum positiven Employer-Branding beitragen. 

Die Studie zeigt auf, dass ein Viertel der Berichterstattung immer noch der UN-Konvention widerspricht, etwa weil diskriminierende Wörter verwendet werden oder klischeehafte Inszenierungen erfolgen. Aber auch hier ist die Entwicklung positiv: In den Jahren 2015 und 2016 enthielt noch fast jeder zweite Medienbeitrag problematische Aspekte. Dabei zeigt sich aber ein großes Qualitätsgefälle zwischen unterschiedlichen Medien. Boulevardblätter schneiden deutlich schlechter ab.

Studienpartner Behindertenanwaltschaft

„Die vorliegende Studie zeigt, wie wichtig die Darstellung von Menschen mit Behinderungen in sämtlichen Lebensbereichen durch die Medien ist. Denn erst dadurch kann dem Ziel der Bewusstseinsbildung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention entsprochen werden. Ich bin überzeugt, dass die Medien ihre Rolle noch mehr als Chance für die Unterstützung einer inklusiven Gesellschaft wahrnehmen werden“, so die stellvertretende Behindertenanwältin Elke Niederl.

Studienpartner Sodexo

Dazu Michael Freitag, Geschäftsführer des Studienpartners Sodexo Service Solutions Austria GmbH: „Es ist wichtig, dass wir Gespräche über die Stärken von Menschen mit Behinderungen führen, ihre Leistungen feiern und die Inklusion fördern. Als Arbeitgeber konzentrieren wir uns bei Sodexo auf die Person und schaffen den nötigen Raum, damit sie ihr volles Potenzial entfalten kann. Als Unternehmen sind wir uns der Verantwortung bewusst, dass die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung einen großen Aspekt der Inklusion widerspiegelt.“

Martin Graf

Studienpartner Energie Steiermark

„Die Energie Steiermark verfolgt in ihrer Unternehmensentwicklung einen ganzheitlichen Ansatz, der die Persönlichkeit jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stellt. Dabei gilt unser Augenmerk der Balance zwischen individueller Selbstverwirklichung, Teamgeist und beruflicher Weiterentwicklung. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, neuer Karrierepfade für Lehrlinge, Gesundheitsvorsorge sowie Diversität und Inklusion gehören einfach dazu. Im Sinne einer gesamtheitlichen Chancengerechtigkeit werden wir für die Weiterentwicklung unserer Inklusionsstrategie auch von externen Partnern unterstützt“, so der für den Bereich verantwortliche Vorstand Martin Graf.

Studienpartner Wiener Stadtwerke

„Medien setzen den gesellschaftlichen Diskurs maßgeblich und sind meinungsbildend. Sie kreieren Gesellschaftsbilder und können so Inklusion schaffen, oder eben auch blockieren. Wir wollen mit der Studie einen Beitrag leisten, um Bewusstsein zu schaffen und eine Änderung herbeizuführen“,

so der stellvertretende Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt.

Hans-Jürgen Groß

„Damit Inklusion auf übergeordneter Ebene gelingt, brauchen wir eine Medienlandschaft, die Menschen mit Behinderungen nicht als exotische Held*innen oder bemitleidenswerte Opfer darstellt, sondern als das, was sie sind, nämlich ganz normale Menschen und Kund*innen die ein ordentliches Angebot erwarten“,

so Hans-Jürgen Groß, Konzernbeauftragter für Barrierefreiheit bei den Wiener Stadtwerken.

Ohne Medien wird laut Pernegger ein Paradigmenwechsel nicht gelingen können. Diese sind jedoch auch nur „ein Teil in einem Mosaik aus vielen Steinen“. „Inklusion ist kein Selbstläufer, nur weil ein rechtlicher Rahmen dafür geschaffen wurde. Sie erfordert ein gesamtgesellschaftliches Zusammenspiel, bei dem neben Politik, Medien und Zivilgesellschaft vor allem auch Unternehmen eine Schlüsselrolle einnehmen. Letztere können im positiven Fall mächtige Gamechanger und Vorbilder sein“, so Pernegger.

Laden Sie hier die Inklusionsstudie 2023 herunter:

Inklusionsstudie 2023

Inklusionsstudie 2023 (barrierefreie Version)

Zusammenfassung der Inklusionsstudie 2023 (Leichter Lesen)

Rückfragen

Studienautorin MediaAffairs                                                                                                                                                          
Mag.a Maria Pernegger

Geschäftsführerin MediaAffairs
m.pernegger@mediaaffairs.at